Polizei jagt Senioren-Abzocker Dem großen Ganoven-Callcenter auf der Spur

Kaarst · Eigentlich unglaublich: Dieses „Callcenter“ war sieben Tage in der Woche aktiv. Dort wurde in zwei Schichten von 7 bis 22 Uhr „gearbeitet“. Alles bestens durchorganisiert – mit dem Ziel, Senioren auszunehmen. Die „Mitarbeiter“ waren Telefonbetrüger, denen dank aufwendiger Recherche der Polizei des Rhein-Kreises jetzt der Riegel vorgeschoben werden konnte.

Von links: Hans-Jürgen Petrauschke, Melanie Stocker, Michael Piel, Christian Kampa und Stephanie Pampel. Rechts: Diese Uhren konnten noch keinen Taten zugeordnet werden. Der Tipp des Landrates: Sich aus falscher Scham nicht zu melden, sei das Falscheste, was jedes Opfer machen könne. „Wir wollen jeden Fall aufklären“, versprach er.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Ziel der Anrufe waren vorwiegend ältere Menschen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. „Wir konnten 33 Straftaten aufklären und 180 verhindern“, verkündete Landrat Hans-Jürgen Petrauschke in dieser Woche nicht ohne Stolz.

In den meisten Fällen gaben sich die Täter als Polizeibeamte aus, die den Namen des Angerufenen in einer (Telefon-)Liste von dingfest gemachten Einbrechern entdeckt hätten. Geld und Wertsachen sollten aus Sicherheitsgründen am besten der Polizei übergeben werden.

Das Perfide: Die Täter suggerierten den Opfern, über eine angebotene „sichere“ Leitung die 110 anrufen zu können, um sich von der Echtheit des Anrufes überzeugen zu können.

In Bamberg und Mettmann konnten fünf „Abholer“ verhaftet werden. Deutsche und Deutsch-Tunesier im Alter von 20 bis 24 Jahren; überwiegend arbeitssuchend. Sie sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.

Nicht immer handelte es sich bei den Anrufen um die Masche mit dem falschen Polizisten. Ermittelt wurden auch solche mit falschen Bank-Mitarbeitern, Kunsthändlern, Inkassobüros oder auch mit betrügerischen Band-Ansagen.

Hinzukommen Schock-Anrufe. Der jüngste konnte just in dieser Woche „geklärt“ werden: Die ältere Meerbuscherin wandte sich an ihren Sohn, der schaltete die Polizei ein. Bei der „Übergabe“ konnte ein zwölf Jahre altes Mädchen in Gewahrsam genommen werden.

Aufgeklärt werden konnten in diesem Fall die Zusammenhänge von Februar bis November nur dank „hohen Engagements und viel Zeitaufwand“, wie Christian Kampa (Direktionsleiter Kriminalität) betonte. Zeitweise gehörten bis zu 50 Beamte zu der Ermittlungskommission „Spoof“, die Melanie Stocker und Michael Piel leiteten.

Die Gesamtzahl der untersuchten Anrufe und Anrufversuche wird für den Zeitraum mit 190.000 angegeben. 620 Straftaten im Bereich der Schockanrufe (nahe Verwandte seien verunglückt oder verhaftet und bräuchten finanzielle Hilfe) konnten verhindert werden.

Die Täter erbeuteten 2,33 Millionen Euro. Weitere Beute in Höhe 2,95 Millionen Euro konnte verhindert werden.

In Sachen Verhinderung und Aufklärung ist Stephanie Pampel im Auftrag der Kreis-Polizei unterwegs. Gut zwei Dutzend Veranstaltungen haben sie und ihr Team im gesamten Kreis besucht, um vor allem ältere Menschen warnen zu können. Plakate und Postkarten mit Rita Süßmuth, Horst Lichter, Nici Kempermann und anderen sollen darüber hinaus präventiv wirken.

Pampel erzählte, dass die Aufklärung wirke: Sie habe versucht, ein 90-jähriges Fast-Opfer anzurufen, um die Erlaubnis einzuholen, den mitgeschnittenen Anruf bei der Pressekonferenz vorspielen zu dürfen.

„Jedes Mal, wenn ich mich als Polizei gemeldet habe, hat sie prompt und konsequent aufgelegt.“ Und das ist ja auch der Schutz bei betrügerischen Anrufen!

Gerhard P. Müller