Gastbeitrag von Stefan Meuter, Vorsitzender des Verbands der Feuerwehren „Es braucht keine neuen Gesetze, sondern eine Justiz, die diese Verfahren ernst nimmt“

Neuss/Kaarst · Tagtäglich sind sie für uns im Einsatz: die zahlreichen Feuerwehrleute – viele davon im Ehrenamt – der Löschzüge im Rhein-Kreis Neuss. Stefan Meuter, Vorsitzender des Verbands der Feuerwehren im Rhein-Kreis Neuss, gibt in seinem Gastbeitrag einen ehrlichen Einblick in die Lage der Einsatzkräfte.

Stefan Meuter, Vorsitzender Verband der Feuerwehren im Rhein-Kreis Neuss.

Foto: privat

Eine Karikatur in einer Tageszeitung zu Beginn dieses Jahres, im Nachgang zu den Gewalteskalationen gegenüber Einsatzkräften in Deutschland: zwei Kindern im Kinderzimmer vor einem Spielzeugfeuerwehrauto. Sprechblase: „Feuerwehrmann?! Gefährlicher Job, mies bezahlt UND du musst dich von kriminellen Chaoten mit Böllern angreifen lassen. Ich bin doch nicht wahnsinnig!“

Bilder im fernen Berlin aus der letzten Silvesternacht bestimmten die Medien. Doch Berlin war auch in Nordrhein-Westfalen. Ausschreitungen in Düsseldorf, Duisburg und Essen. Einsatzkräfte mit Pyrotechnik beworfen in Bonn, Hagen und – im Rhein-Kreis Neuss. Ein körperlicher Angriff auf eine Rettungswagenbesatzung. 17 Fälle der Gewalt gegen Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst in diesem Jahr. 2022 waren es noch sieben.

Wenige Fälle bei über 93.000 Einsätzen im Jahr, die uns jedoch aufhorchen lassen.

Drei Tage vor Silvester riefen die Feuerwehren im letzten Jahr noch zu einem harten Durchgreifen bei Angriffen auf Einsatzkräfte auf: „Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass Einsatzkräfte als Vertreter des Staates nicht ohne harte Strafen angegriffen werden. Es kann nicht sein, dass unsere Leute gefährdet werden, fast überfahren werden und hinterher wird es als Bagatelldelikt dargestellt“, hieß es in der Meldung – so wie in einem Fall im Rhein-Kreis Neuss, der nach drei Jahren verhandelt wurde.

Freispruch für den Angeklagten, da die Einsatzkräfte der Feuerwehr nicht belegen konnten, dass der Angeklagte „absichtlich“ eine Absperrung umgefahren habe und einen Feuerwehrmann beinahe verletzte. Und die Ordnungswidrigkeit wegen Beleidigung war aufgrund der Bearbeitungszeit seitens des Gerichts verjährt. Weitere, folgenlos eingestellte Verfahren sind bekannt.

Es fällt schwer, unsere Einsatzkräfte zu einer Anzeige zu motivieren. Zu viele Verfahren sind inzwischen bekannt, die wegen mangelndem öffentlichen Interesse oder als Bagatelle eingestellt wurden. Eine Statistik über Verfahrensergebnisse werde nicht geführt.

Der Aufschrei im Landtag nach den Fällen von Gewalt gegen Einsatzkräften in der Silvesternacht war groß. Ein Antrag folgte, Expertenanhörung. Der Antrag, aus der Opposition kommend, wurde abgelehnt. Ohne weitere Maßnahmen oder Statements. Anfragen nach einem „Wie geht es denn weiter?“ wurden lediglich von einer Fraktion beantwortet. Ernüchternd – und wir stehen wieder vor dem nächsten Silvester.

Es braucht keine neuen Gesetze, sondern eine Justiz, die diese Verfahren ernst nehmen und Richter die Urteile sprechen, die gesetzlichen Möglichkeiten zu Ermittlung und Bestrafung der Täter voll ausschöpfen und Gewalt gegen Einsatzkräfte rigoros und schnell ahnden.

Zurück ins Kinderzimmer. Wer kennt ihn nicht, Grisu den kleinen Drachen, der da einsam bei den Kindern im Regal steht? Ob er den Satz, den wir alle kennen, heute auch noch sagen würde?

Auch nach 37 Jahren Freiwillige Feuerwehr würde ich den Satz noch immer sagen. Doch bereitet mir diese Entwicklung und das fortwährende „Es gibt gerade Wichtigeres.“ Sorgenfalten.