Rollstuhlfahrer frustriert: „Die neue Hafenbrücke kann ich nicht nutzen“
Neuss · Seit rund vier Monaten ist die neue Hafenbrücke eröffnet und für jeden zugänglich — fast für jeden. Rainer Heilinger konnte sich das architektonische Schmuckstück bis heute nicht aus nächster Nähe ansehen.
Grund: Mit seinem elektrischen Rollstuhl schafft er es nicht über den rund zehn Zentimeter hohen Bordstein. Damit ist der einzige Weg zur Brücke für ihn versperrt.
Es ist eine Horrorvorstellung für jeden Rollstuhlfahrer: An einem angenehmen Tag, macht sich Heilinger auf den Weg, um zum ersten Mal über die neue Hafenbrücke zu fahren. Weil er mit seinem elektrischen Rollstuhl sehr gut ausgestattet ist, verzichtet er wie so oft auf eine Begleitung. Dann, als er endlich sein Ziel erreicht, wird es gefährlich. Nachdem Heilinger die viel befahrene Rheintorstraße quert, geht es für den 56-Jährigen nicht weiter. Selbst mit der Hilfe anderer, käme er nicht über den Bordstein. Stattdessen bleibt der Rollstuhlfahrer mitten auf dem Fahrradweg stehen — hinter ihm brettern die Autos mit 70 Stundenkilometer über die Straße. Und zu allem Übel muss Heilinger hier umständlich wenden. "Das war ohne zu übertreiben eine lebensgefährliche Situation und dazu noch sehr frustrierend", so der Neusser rückblickend.
Bis heute konnte er die Brücke nicht befahren. Der an einer seltenen Muskelkrankheit leidende Mann hat bereits Kontakt zur Stadtverwaltung aufgenommen, hofft auf eine schnelle Lösung.
"Ich bitte darum, dass hier eine ordnungsgemäße Bordsteinabsenkung installiert wird. Interimsweise könnte auch schlicht ein Mann mit einem Presslufthammer binnen kurzer Zeit für eine Art Minirampe sorgen", so Heilinger. Eine kurzfristige Lösung wird es laut des scheidenden Bürgermeisters Herbert Napp nicht geben: "Die Querung der Rheintorstraße stellt ein Provisorium dar. Dieses wird im Zuge der Revitalisierung der im Privateigentum stehenden Flächen zwischen Rheintorstraße und Hafenbecken 1 von einem — selbstverständlich vollständig barrierefreien — Umbau des Kreuzungsbereiches abgelöst werden", so Napp. Wann dies geschehen soll, lässt er dabei völlig offen.
"Zwar wäre es möglich, auch den Bordstein auf der östlichen Seite der Rheintorstraße abzusenken. Damit wäre das Problem aber nicht gelöst. Das in diesem Bereich in circa einem Meter vom Fahrbahnrand parallel zur Rheintorstraße verlaufende Gleis der Hafenbahn weist zur Rheintorstraße einen Höhenunterschied von 30 Zentimetern auf. Es müsste also eine Rampe mit einer Steigung von 30 Prozent gebaut werden. Eine solche Rampe würde für Rollstuhlfahrer eine größere und auf den ersten Blick schwieriger zu erkennende Gefahr darstellen als die erkennbar nicht vorhandene Bordsteinabsenkung", macht Napp deutlich, dass eine schnelle Lösung unmöglich scheint.
Und so muss sich Heilinger weiter gedulden, ehe er sich das neue Wahrzeichen von Neuss aus nächster Nähe ansehen kann.