Integrationsausschuss-Vorsitzender Hamdi Berdid im Interview Mehr Teilhabe: „Die Interessen unserer Stadtgesellschaft stehen im Vordergrund“
Neuss · Hamdi Berdid ist Vorsitzender des neu gewählten Integrationsausschusses. Welche Aufgaben warten auf ihn? Wie klappt es in Neuss mit der Integration? Diese und weitere Fragen beantwortet er im Interview mit dem Stadt-Kurier.
Herr Berdid, wie klappt es mit der Integration in Neuss? Haben wir hier eine „heile Welt“ oder liegt einiges im Argen?
Berdid: Integration besitzt in Neuss einen hohen Stellenwert. Das sieht man auch daran, dass Bürgermeister Reiner Breuer Integration zur Chefsache erklärt hat und bei der ersten Sitzung des neu gewählten Integrationsausschusses dabei war. In Neuss gibt es zahlreiche formale Zugänge, die wir nutzen müssen.
Formale Zugänge – was verbirgt sich dahinter?
Es gibt Angebote und Ansprechpartner für Migranten, die wir öffentlicher machen müssen. Das Integrationsamt mit Hermann Murmann leistet beispielswiese gute Arbeit – doch viele wissen gar nicht, dass es das gibt. Das gilt auch für die Möglichkeit der Förderung von Projekten zur Integration; meist werden die Anträge immer von denselben Menschen gestellt, wir müssen auch andere Menschen dazu bewegen.
Damit kommen wir zu den Aufgaben des Integrationsausschusses.
Wir müssen Migranten-Organisationen und deren Akteure nachhaltig stärken sowie ein kompetenter Ansprechpartner für die Ratsfraktionen sein. Vieles ist bisher an mangelnder Kommunikation gescheitert; das soll sich ändern. Der Integrationsausschuss ist das Bindeglied zwischen Politik, Verwaltung und Migranten.
Am 23. September findet die nächste Sitzung des Integrationsausschusses statt. Welche Themen werden unter anderem auf der Tagesordnung stehen?
Ein ganz wichtiges Thema ist die Planung eines Hauses der Kulturen auf dem Wendersplatz; hier könnte ein interkulturelles Zentrum entstehen, das das Leben in unserer Stadt widerspiegelt. Wir müssen in den Fraktionen dafür werben, damit sie hier den Mehrwert für unsere Stadtgesellschaft erkennen.
Ein interkulturelles Projekt, das noch in der „visionären Phase“ steckt. Wie sieht es mit dem interreligiösen Dialog aus?
Hier gilt es noch einiges zu verbessern. Ein Beispiel: Wir haben in Neuss mehrere Moscheegemeinden, die alle ihr eigenes Süppchen kochen – da ist es auch für die Stadtverwaltung nicht einfach, die richtigen Ansprechpartner zu finden. Ich würde gerne die Gründung eines Vereins initiieren nach dem Vorbild der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit oder dem Kreis Düsseldorfer Muslime, dieser organisiert unter anderem interreligiöse Fußballturniere: Da spielen die Imame gegen die Pfarrer, der Rabbi ist Schiedsrichter. Wichtig ist aber: Ansprechpartner der Gemeinden unter einem Dach zu finden.
Ein weiteres Thema ist der Ausbau des muttersprachlichen Unterrichts, der zum Beispiel in der Grundschule Die Brücke in verschiedenen Sprachen angeboten wird. Meine Kinder sind in Neuss geboren, lernen hier aber auch Arabisch; das finde ich wichtig.
Weiter müssen wir die starken Frauen in den Migranten-Vereinen fördern und sie in der Gesellschaft deutlich sichtbar machen.
Bei all den Themen eine Nachfrage: Der Integrationsausschuss vertritt ausschließlich die Interessen der Migranten?
Nein! Wir vertreten nicht die Migranten, sondern migrantische Themen wie Religion, Kultur, Mehrsprachigkeit; hier darf nicht Nation gegen Nation arbeiten. Integration ist ein Querschnittsthema in unserer Gesellschaft. Es geht um Teilhabe. Wenn ein Migrant Neuss als seine Heimat ansieht, sich wie ich als Neusser fühlt, dann ist dies ein Benefit für die ganze Gesellschaft.
Und genau das ist unser Ziel: Die Interessen der Stadtgesellschaft stehen im Vordergrund; wir müssen sehen, wie sich die Migranten hier besser einbringen können – durch ein diverses und lebendiges Miteinander können wir das Wohlbefinden aller in Neuss lebenden Menschen steigern.
Zum Schluss eine Frage zu Ihrer persönlichen Zukunft: Warum werden Sie Ihren Posten als Vorsitzender des Raums der Kulturen abgeben?
Unabhängig davon, dass ich kein Freund von der Besetzung mehrerer „Vorsitz“-Ämter bin, bin ich der Meinung, dass sowohl der Raum der Kulturen als auch der Integrationsausschuss volle Konzentration an der Spitze brauchen. Beide Ämter werden ehrenamtlich geführt und die Ressourcen sind auch bei mir leider begrenzt.
Der Raum der Kulturen ist die größte Migrantenorganisation in Neuss, welche auf eine herkunfts- und kulturübergreifende Zusammenarbeit fußt. Auch bringt der Raum der Kulturen eine ausgeprägte Expertise mit sich und ich bin mehr als nur zuversichtlich, dass der nächste Vorstand diese Expertise gewinnbringend für die Neusser Stadtgesellschaft einbringen wird.
Aber ich bleibe dem Raum der Kulturen als Unterstützer und Mitglied erhalten.
Dann wünsche ich Ihnen ein glückliches Händchen und eine gute Unterstützung durch den Bürgermeister – auf dass in Neuss weiter Diversität, Integration, Teilhabe und Antirassismus gelebt und gefördert werden!
Die Fragen stellte Rolf Retzlaff.