Planungsdezernent bezweifelt Zusammenhang mit dem Verkehrsversuch Sebastianusstraße: ZIN klagt über einen deutlichen Kunden-Rückgang

Neuss · Die Diskussion um den Verkehrsversuch Sebastianusstraße geht in die nächste Runde: Bisher habe sich der ZIN-Vorstand abwartend positioniert, aber konsequent auf die Befindlichkeiten der Mitglieder hingewiesen, sagt Christoph Napp-Saarbourg, Vorsitzender der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss. Jetzt präsentiert er Zahlen, die einen deutlichen Umsatzrückgang bei den Händlern auf der Sebastianusstraße zeigen, sowie konkrete Forderungen an die Politik, wie es hier weitergehen sollte. Dabei will Napp-Saarbourg auch die Geschäftsleute in die Pflicht nehmen. Die Stadtverwaltung hingegen wird den Verkehrsversuch unverändert weiterführen.

Am vergangenen Wochenende wurde beim Streetfood-Festival auf der Sebastianusstraße getanzt und gesungen. Ob dies häufiger so sein wird? Der ZIN-Vorsitzende Christoph Napp-Saarbourg mahnt: „Es ist zu berücksichtigen, dass es sich de facto noch nicht um eine autofreie Sebastianusstraße handelt. Bevor um 13 Uhr der Poller gesetzt wird, fahren immer noch Pkw in die Straße und parken. Die Händler sehen mit noch größerer Sorge dem Zeitpunkt entgegen, an dem die Ahndung von Park- und Fahrverstößen den Unmut eskalieren lässt.“

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

„Neun Anlieger legten ihre Frequenz- und Umsatzdaten offen. Verglichen wurde der August 2021 jeweils mit dem August 2019, August 2020 und Juli 2021. Daraus ergibt sich, dass die Handelsbetriebe zwischen 15 und 60 Prozent Umsatzminus zu den Vergleichsmonaten aufweisen. Im Vergleich zu August 2019 verloren sie im Schnitt 37 Prozent, im Vergleich zum Juli 2021 39 Prozent. Selbst der durch starke Verunsicherung in der Pandemie kennzeichnete August 2020 wies deutlich bessere Umsatzzahlen auf“, führt Napp-Saarbourg auf.

Und auch Kaufhof-Geschäftsführer Amit Mahato klagt über eine 30 Prozent niedrigere Parkhausbelegung als im August 2019 (das Parkhaus kann nicht mehr über die Sebastianusstraße angefahren werden); dies sei ein unmittelbarer Einflussfaktor auf die Umsätze: „Im letzten Jahr haben sich noch alle, besonders die Politik, bemüht, den Standort Kaufhof zu retten. Und jetzt droht dieser Erfolg wieder zunichte gemacht zu werden.”

Die Ursache für die niedrigeren Besucher- und Umsatzzahlen sieht Napp-Saarbourg in der gesunkenen Passantenfrequenz: „Aus jedem Auto stiegen früher Besucher aus, die Frequenz erzeugten, ob sie nun einkauften oder nicht.“ Hier gelte das Prinzip: „Kunden ziehen Kunden an“.

Die Hoffnung, durch mehr gastronomische Angebote eine Art zweite Neustraße zu gründen, habe sich schnell zerschlagen, denn die ansässigen Gastronomen könnten ihre Betriebe kaum oder gar nicht ausweiten, so Napp-Saarbourg. Zudem würden Anlieger keinen weiteren Restaurantlärm dulden wollen. Von Vermieterseite seien diese Bedenken konsequent untermauert worden. „Mehr noch, die Vermietung von Ladenlokalen ist aufgrund fehlenden Parkplatzversprechens derzeit unmöglich“, berichtet Napp-Saarbourg von einem Obst- und Gemüsehändler, der sich für die Sebastianusstraße 11 interessiert habe, jedoch wegen Parkplatzmangel seine Zusage zurückgezogen habe.

Napp-Saarbourg formuliert klare Forderungen an die Politik, „um die von einigen Anliegern bereits geäußerten Umsiedlungsideen zu bremsen“. Dies sind unter anderem Öffnung für den Autoverkehr und Schrittempo für alle Verkehrsteilnehmer, Rückverlagerung des Taxistandes auf die Sebastianusstraße, Haltebuchten zum kurzen Halt für Ein- und Ausstieg sowie mehr Kontrollen durch den Kommunalen Sicherheits- und Ordnungsdienst, um unter anderem eine Fehlnutzung des Mobiliars auf der Straße durch Bettler, Obdachlose und Drogensüchtige zu vermeiden.

Aber Napp-Saarbourg richtet sich auch an die Anlieger: „Sie sollten darüber nachdenken, wie sie die neuen Räume für sich nutzen können. Das Schwatte Päd macht hier einen Anfang mit der erweiterten Terrasse. Händler könnten mit individuellen Werbemaßnahmen mehr auf sich aufmerksam machen.“

Planungsdezernent Christoph Hölters macht deutlich, dass das ZIN-Schreiben wie eine Stellungnahme im Zuge der Bürgerbeteiligung zum Verkehrsversuch bewertet werde. Er äußert Zweifel, ob die rückläufigen Zahlen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verkehrsversuch stünden:

„Dies könnte auch wegen der Pandemie oder aus anderen Gründe so sein.“ Sofortigen Handlungsbedarf sieht Hölters nicht: „Substanzielle Veränderungen würden nur wegen ungewöhnlicher Härtefälle vorgenommen“, erklärt der Dezernent – und dazu zähle er die aufgeführten Forderungen nicht.

Mit dem Kaufhof-Geschäftsführer werde jetzt das Gespräch gesucht, aber auch hier bezweifelt Hölters einen Zusammenhang zwischen dem Verkehrsversuch und der geringeren Parkhausnutzung: „Wir werden an der Grundkonfiguration nichts ändern und den Versuch weiter fortsetzen.“ Er fordert zu mehr Geduld auf: „Auch bei Markt und Neustraße hat es länger gedauert, bis die Veränderungen angenommen wurden.“