SPD zur Kritik: „Man sollte die Kirche im Dorf lassen!“ CDU: „Verkehrsversuch Sebastianusstraße ist jetzt endgültig gescheitert!“
Neuss · Ist der Verkehrsversuch Sebastianusstraße endgültig gescheitert? Dieser Ansicht ist zumindest die Neusser CDU. Und auch die ansässigen Händler zogen bei einer Befragung eindeutig Stellung: Sie fanden die Verkehrssituation und Gestaltung vor dem Verkehrsversuch und sogar vor der Umgestaltung zwischen 1999 und 2001 besser. „Sie sind aber konstruktiv unterwegs und haben sich an der Auswahl der Möbel beteiligt, gestalten also ihre Straße aktiv mit“, erklärt Stadtpressesprecher Marc Bohn.
Da ist zum Beispiel von einer „Markenbildung“ die Rede: Der Stromkasten für den elektronischen Hubpoller soll mit dem Slogan „Willkommen im Sebastianusviertel“ foliert werden, eine weitere Stele soll im Einmündungsbereich des Hauptstraßenzugs aufgestellt werden, zwei beleuchtete Schriftzüge mit dem Slogan „Sebastianusstraße mittendrin“ sollen zwischen den Gebäuden Sebastianusstraße 8, 9 und 11 an den vorhandenen Überspannungen der Weihnachtsbeleuchtung montiert werden.
Die weiteren Überspannungen sollen mit Blumenkugeln, auch in Hinblick auf die Landesgartenschau, dekoriert werden. Weiter ist die Rede von durch Pflanzbeete eingerahmte Außengastronomieflächen, Picknickgarnituren, unterleuchteten Sitzbänken und „bunten Stühlen“. Die Umsetzung ist für das zweite Quartal 2024 vorgesehen.
Wenn es denn soweit kommt, denn die CDU übt harsche Kritik: Zu den Händlern kämen weniger Kunden, die Anwohner würden unter nächtlichen Ruhestörungen und Drogenkonsum vor der Tür leiden. „Beschmierte Waschbetonpoller, ungenutzte Sitzmöglichkeiten, geplünderte Hochbeete und die langsam verwitternde Bodenbemalung erwecken den Eindruck von Flickschusterei. Das Scheitern der hohen Ziele steht der Straße leider ins Gesicht geschrieben“, bedauert die planungspolitische Sprecherin Natalie Goldkamp die Entwicklung. Durch den Verkehrsversuch sei nicht nur die Sebastianusstraße, sondern die gesamte Innenstadt geschädigt worden. „Wir sind in einem intensiven Wettbewerb um Kunden mit dem Rheinparkcenter, Düsseldorf, Köln, Mönchengladbach, Krefeld und Roermond. Jeder Stein, den wir Besuchern und Kunden in den Weg legen, führt zum Verlust von Attraktivität und Umsatz. Gesperrte Straßen, ein undurchsichtiges Parkkonzept oder für Autos gesperrte Parkhäuser sind solche Steine“, so Goldkamp weiter.
„Große positive Effekte können wir insgesamt nicht erkennen. Auch irgendwelche Auswirkungen auf das Klima nicht. Einzig die allgemeine Temporeduzierung und die Ausweisung als Fahrradstraße sind positiv und können erhalten bleiben“, zieht der verkehrspolitische Sprecher und Parteivorsitzende Axel Stucke Bilanz: „Wir brauchen wieder mehr Laufkundschaft und Leben auf der Sebastianusstraße. Daher wollen wir den Kunden wieder Kurzzeitparkplätze zur Verfügung stellen. Nach Ladenschluss muss mehr soziale Kontrolle in der Straße herrschen, dafür müssen abends wieder Autos fahren dürfen. Außerdem soll der Taxistand wieder an die Sebastianusstraße zurück und die vorhandene E-Ladeinfrastruktur durchgängig nutzbar sein.“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Karbowiak ärgert sich über die Kritik aus den Reihen der Christdemokraten: „Ich weiß mittlerweile nicht mehr, die wievielte Kehrtwende der CDU das rund um die Sebastianusstraße und den Glockhammer ist. Erst war sie für den Verkehrsversuch und mehr Außengastronomie, dann plötzlich dagegen – und als die Stadt vor Kurzem im Stadtrat die Pläne für eine hochwertige und dauerhafte Möblierung vorgestellt hat, die auch mit den Inhabern der Geschäfte abgestimmt wurde, gab es ebenfalls keine Kritik aus der CDU.“ Und man müsse „die Kirche doch auch mal im Dorf lassen“: Die Straße sei unter der Woche bis 18 Uhr und samstags bis zum Nachmittag überhaupt nicht für den Autoverkehr gesperrt. Und anstelle der wenigen weggefallenen Parkplätze könne man jetzt sogar eine Stunde lang im nur wenige Meter entfernten Kaufhof-Parkhaus kostenlos parken. Karbowiak: „Wir bleiben jedenfalls dabei: Die damalige Umgestaltung von Marktplatz und Neustraße hat gezeigt, welche Chancen in neuen und attraktiven Räumen mit einer hohen Aufenthaltsqualität und Platz für mehr Außengastronomie im Herzen der Innenstadt liegen.“
Wie auch immer: Die Stadtverwaltung prüft zurzeit, ob und in welcher Höhe der Stadt gegebenenfalls finanzielle Einbußen drohen würden, falls es zu einer wie auch immer gearteten Rückabwicklung der Vergaben (zum Beispiel Poller, Möbel, Spielgeräte, Begrünung) kommen würde ...