Ingo Kotzian (CDU) über die „behutsame Entwicklung“ der Stadt Kaarst „Kaarst kann nicht die Wohnungsnot im Großraum Düsseldorf lindern!“

Kaarst · „Wir müssen die Stadt behutsam weiterentwickeln. Wir leben im Speckgürtel von Düsseldorf, aber die Stadt Kaarst kann nicht die Wohnungsnot im Großraum Düsseldorf lindern“, ist sich Ingo Kotzian, Fraktionsvorsitzender der Kaarster CDU, sicher. Der Extra-Tipp sprach mit ihm unter anderem über die Wohnungsmarkt-Situation der Stadt.

 Ingo Kotzian kennt die Problematik – sowohl aus Sicht der Politik, als auch der Handwerkerschaft.

Ingo Kotzian kennt die Problematik – sowohl aus Sicht der Politik, als auch der Handwerkerschaft.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Hanna Glinski

„Bis 2028 braucht der Rhein-Kreis Neuss den Neubau von rund 1.900 Wohnungen – und zwar pro Jahr“, so lautet die Wohnungsbau-Prognose für die kommenden vier Jahre, die das Pestel-Institut in einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt ermittelt hat. „Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen im Rhein-Kreis Neuss aktuell rund 4.570 Wohnungen – abzubauen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.

Auf Nachfrage im Rathaus der Stadt Kaarst hieß es lediglich, dass die Verwaltung keine Statistik über den Wohnungsmarkt der Stadt führe.

Doch Kotzian, als Zimmermeister und Mitglied in diversen Ausschüsschen der Stadt Kaarst (vom Bau- und Planungs- über den Grundstücks- bis hin zum Hochbauausschuss) mit dem Thema sehr vertraut, fragt: „Wer entscheidet denn, wie viel ,zu wenig‘ ist? Es gibt kein ,Soll‘. Wir müssen die Stadt behutsam weiterentwickeln, brauchen bei mehr Wohnraum auch eine angepasste Infrastruktur“, verweist der Christdemokrat auf die Tatsache, dass mit einer wachsenden Bevölkerung auch der Bedarf an Schulen, Kindergärten, Nahversorgung und vielem mehr zunähme.

Und weiter: „Die Stadt versucht natürlich perspektivisch, Flächen zu kaufen, die sie zu Bauland entwickeln kann. Hier müssen Mischgebiete entstehen – Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, sozial geförderte Wohnungen.“ Ein wichtiger Faktor dabei: Das Wohnverhalten der Menschen habe sich verändert. „Die Menschen leben gern mit mehr Raum. Haben vor ein paar Jahrzehnten noch 100 Quadratmeter für drei, vielleicht vier Personen genügt, wird heute mehr Platz pro Kopf gewünscht“, meint Kotzian.

Dass es neuen Wohnraum in der Stadt bräuchte, bestreitet er gar nicht. Doch wichtig ist ihm eine „geordnete Entwicklung. Wir brauchen nicht nur die Ausweisung neuer Flächen, sondern müssen ausloten, wo wir nachverdichten können“, meint er und beschreibt Überlegungen, nach denen die einstöckigen Bungalows im Kaarster Osten mit neuen Stockwerken versehen werden sollen. So würde mehr Wohnraum entstehen, ohne dass dafür eine neue Flächenversiegelung notwendig wäre.

Als Handwerkermeister weiß er, dass Neubauten durch immer schärfere Auflagen und steigende Preise stetig erschwert werden. „Jedes neue Mehrfamilienhaus muss etwa behindertengerecht sein und einen Aufzug vorweisen“, erzählt er und betont, dass viele der neuen Anforderungen natürlich sinnvoll und von Bedeutung für Inklusion seien, doch: „Die Flure müssen dadurch breiter sein. Dadurch und etwa durch die inzwischen aufgrund unterschiedlicher Auflagen immer dicker werdenden Wände wird auf der gleichen Fläche wie noch vor 20 Jahren der tatsächliche Wohnraum immer weniger“, führt Kotzian als weiteres Beispiel dafür an, dass das (wirtschaftliche) Bauen im Auflagen-Dschungel zur Herausforderung wird.

Auch Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), in dessen Auftrag das Pestel-Institut die eingangs erwähnte Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt durchgeführt hat, fordert, die Standards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Sie warnt: „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hoch geschraubten Klimaschutzmaßnahmen, ohne die es keine Förderung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“

Es ist eine angespannte Lage – auch in Kaarst. Doch auf Biegen und Brechen dürfe man nicht herangehen. „Wir müssen Kaarst behutsam weiterentwickeln!“, schließt Kotzian.