Gedenkveranstaltung: Ein Jahr nach dem Hamas-Angriff auf Israel Jede Flamme leuchtet für ein Opfer – und gegen Antisemitismus

Neuss · Eine ergreifende Aktion: Am Jahrestag der Massaker der Terrororganisation Hamas in mehreren Kibbuzim im Süden Israels sowie auf dem Trance-Festival „Supernova“ wurden am Montag auf der Treppe zwischen Freithof und Marktplatz 1.200 Kerzen entzündet – für jeden Ermordeten eine. Zu dieser Gedenkveranstaltung hatten die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Neuss, der Freundschaftsverein Chaverut und die Jüdische Gemeinde Neuss eingeladen.

Stilles Gedenken: 1.200 Kerzen wurden auf der Treppe zwischen Freithof und Markt entzündet.

Foto: Freundschaftsverein Chaverut Neuss-Herzliya 

„Wir stehen heute hier, um uns an alle Opfer zu erinnern. Wir zeigen, dass wir sie niemals vergessen werden. All diese mutigen Menschen aus den Kibbuzim und Städten, denen ein friedliches Miteinander auch mit den Palästinensern im Gazastreifen am Herzen lag“, sagte Bert Römgens, Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde. „Es ist wichtiger denn je, dass wir zusammenkommen und ein klares Zeichen für Israel und gegen Hass und Antisemitismus setzen. Unser Leben, unsere Realität, eigentlich alles hat sich für uns verändert. Besonders für uns Jüdinnen und Juden hat sich eine neue schmerzvolle Lebensrealität manifestiert. Sie tut weh, weil wir dachten, dass wir als Gesellschaft weiter sind. Wir dachten, dass die Menschen aus der Vergangenheit gelernt hätten. Doch die brutalen Fakten beweisen das Gegenteil. Terroristen haben wehrlose Zivilisten massakriert – und das nur aus einem Grund: Weil sie Juden sind!“ Der Hass gegenüber Israel und auch gegenüber Jüdinnen und Juden habe seit dem 7. Oktober 2023 eine neue Dimension erreicht. Juden würden sich gezwungen sehen, ihre jüdische Identität zu verstecken – aus Angst vor Anfeindungen, aus Angst vor Gewalt. Römgens: „Das ist die bittere Wahrheit, in der wir nun leben.“ Römgens sprach von antisemitischen Übergriffen, Hassnachrichten auf Social-Media-Kanälen, Davidsterne würden an Häuser gemalt, Juden auf offener Straße angegriffen werden, weil sie beispielsweise ein „Bring them home-Shirt“ tragen. Und Römgens berichtete weiter: „Bei einer Gedenkveranstaltung hier in Neuss für die entführten Kinder, die zum Teil immer noch in Gaza festgehalten werden, weil sie aus ihrem Leben gestohlen wurden, sagte ein Herr, dass es bedauerlich sei, dass Hitler uns vergessen hätte.“ Römgens fand deutliche Worte: „Der Kampf gegen Antisemitismus ist ein Kampf für die Zukunft unserer Demokratie. Ein Kampf für ein respektvolles und vielfältiges Miteinander. Es ist ein Kampf für die Würde jedes Menschen, unabhängig von seiner Religion, seiner Herkunft oder seiner Überzeugung. Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdisches Leben in Deutschland erneut von Angst und Ausgrenzung geprägt wird.“

Sie zeigten bei der Gedenkveranstaltung Solidarität über die Parteigrenzen hinaus (v.l.): Jascha Huschauer und Sascha Karbowiak (beide SPD), Bert Römgens (Jüdische Gemeinde), Bettina Weiß und Petra Schenke (beide Grüne), Jörg Geerlings und Axel Stucke (beide CDU) sowie Cornel Janßen (FDP).

Foto: privat

Der stellvertretende Bürgermeister Jörg Geerlings (Bürgermeister Reiner Breuer war auf der Immobilienmesse EXPO Real; er hatte am Montag an einem Stand der Jüdischen Gemeinde am Rathaus in München der Opfer des 7. Oktober gedacht) erinnerte daran, dass bis heute mehr als 100 Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden: „Wir dürfen diese Zahlen niemals vergessen. Hinter jeder Zahl steht ein Mensch, eine Familie, ein zerrissenes Leben. Bis heute tobt der Krieg im Nahen Osten, und immer noch leiden und sterben unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten. Auch unsere Freundinnen und Freunde in Herzliya, unserer israelischen Partnerstadt, sind betroffen. Ihre Sorgen und Ängste sind auch unsere.“ Und er warnt: „Verschiedene Populisten und Extremisten versuchen, unsere demokratischen Grundwerte zu untergraben und schüren Hass, verbreiten Angst. Sie wollen die Freiheit und den Respekt zerstören, die unsere Gesellschaft ausmachen.“ Geerlings Appell: „Es ist unsere Pflicht, in der Gesellschaft für Aufklärung und Sensibilisierung zu sorgen – insbesondere in der heranwachsenden Generation.“

Stilles Gedenken an die Hamasopfer.

Foto: privat

Zu den Rednern gehörte auch Rivkah Young von der Initiative „Run for their Lives Düsseldorf“. „101 Menschen werden schmerzlich von ihren Familien und Freunden vermisst. Für sie gehen wir jede Woche friedlich spazieren, zeigen Bilder von den Entführten“, erklärte Young. „Erst vor wenigen Wochen wurden sechs Geiseln von der Hamas exekutiert – kurz vor ihrer Befreiung. Die 24-jährige Eden Jerushalmi war eine der weiblichen Geiseln. Ihre Obduktion ergab, dass sie lediglich noch 34 Kilo wog.“ Und weiter: „101 Menschen – unter ihnen noch immer zehn Frauen – könnten gerettet werden! Hoffnung bleibt unsere Pflicht!“