Bemalung der Sebastianusstraße kostet rund 35.000 Euro Bürgerbeunruhigung statt Verkehrsberuhigung?
Neuss · Schon während die neue Bemalung auf der Sebastianusstraße aufgebracht wurde, häuften sich kritische Stimmen in den sozialen Medien. Und an Ort und Stelle machen die Geschäftsleute ihrem Ärger Luft: „Wir bemängeln die Entwicklungsprozesse und wünschen uns unsere ,alte Straße‘ zurück“, ist auf Plakaten in zahlreichen Schaufenstern entlang der Sebastianusstraße zu lesen. Die CDU spricht von einem „Mahnmal für die bürgerferne rot-grüne Holzhammerpolitik der aktuellen Rathausspitze“, für die Junge Union ist diese Aktion eine „unverständliche Verschwendung von Steuergeldern“ – denn das Aufbringen der Schwarz-Weiß-Malerei kostet stolze 35.000 Euro. SPD und Stadtverwaltung sehen in der „Wiederherstellung des Teppichs“ eine logische Weiterführung der bisherigen Aktionen zur Verkehrsberuhigung der Fahrradstraße.
Bereits 2021 wurde auf der Sebastianusstraße auf einer Länge von 120 Metern ein temporäres Kunstwerk aufgemalt. Kosten: rund 10.000 Euro, finanziert aus dem Innenstadtstärkungsprogramm. Entworfen und realisiert wurde das Projekt von Anton Sakvo und dem Kunstförderpreisträger Konstantin Zayka, der als Graffiti-Künstler und Designer tätig ist. Anton Sakvo ist einer der bekanntesten Graffiti- und Tattoo-Künstler Moskaus, der auch international unterwegs ist. Mittlerweile sind die Farben wie vorgesehen verblasst. Jetzt gibt es eine Erneuerung der Bemalung. Rund 35.000 Euro muss die Stadt aus dem Innenstadtstärkungsprogramm für den dauerhaften Auftrag zahlen, weil die Farben, wie sie auch für die Start- und Landebahn am Flughafen in Düsseldorf verwendet werden, recht teuer sind.
Doch ist die Stadt mit dem optischen Erscheinungsbild zufrieden? „Unser Auftrag war ja die dauerhafte Verkehrsberuhigung der Straße sowie die Steigerung der Aufenthaltsqualität. Dieser Auftrag ist erfüllt“, erklärt Stadtsprecher Marc Bohn. Der Teppich an sich sei eine verkehrsberuhigende Maßnahme, zugleich aber auch ein Kunstwerk – und über Kunst lasse sich bekanntlich streiten. Das gelte selbstverständlich auch für die Neusser, die – auch in den Sozialen Netzwerken – ihre Meinung zum „Verkehrstechnischen Kunstwerk“ zum Ausdruck bringen würden. „Bedenken sollte man dabei, dass Infrastrukturmaßnahmen immer mit höheren Kosten verbunden sind, als der Allgemeinheit dies bewusst ist. Der Teppich ist halt zugleich identitätsstiftendes Kunstwerk und eine verkehrsberuhigende Maßnahme. In die Verkehrssicherheit muss man auch investieren, gleich welche Maßnahme man hier wählt“, so Bohn. Die Diskussion in den Sozialen Medien geschehe häufig in einem Schwarz-Weiß-Modus, die einen seien dafür, die anderen dagegen. „Spricht man aber die Menschen auf der Straße an – und das machen wir bereits seit Beginn des damaligen Verkehrsversuchs – ist das Meinungsbild deutlich positiver“, erklärt Bohn weiter (lesen Sie hierzu auch den nebenstehenden Kommentar). „Ein Teil der ebenfalls von uns befragten Händlerschaft war und ist zwar für den ursprünglichen Zustand, beteiligt sich aber konstruktiv an der Neugestaltung ihrer Straße mit.“
Und was sagt die Stadt zu dem Vorwurf, sie habe ohne Ratsbeschluss gehandelt? Bohn: „Tatsächlich leitet sich dies aber vom Grundsatzbeschluss ab und der Beirat Innenstadtstärkung beschließt selbstverständlich selbst, wofür er seine Finanzmittel ausgibt. Beschlossen wurde, dass der Verkehrsversuch – beziehungsweise die damals bereits vorhandenen Maßnahmen – dauerhaft werden soll.“
Die meisten Geschäftsleute auf der Sebastianusstraße üben harsche Kritik: In zahlreichen Schaufenstern wurde ein deutliches Statement aufgehängt. „Wir haben uns die Bemalung der Sebastianusstraße NICHT gewünscht“, ist hier zu lesen. „Über die Beweggründe für den Anstrich fragen Sie am besten unseren Bürgermeister Reiner Breuer.“
„Grundsätzlich wurde der Teppich als Maßnahme gewählt, um das baulich hergestellte Trennprinzip aufzulösen und im Sinne einer Begegnungszone, eines ,Shared Space‘, gegenseitige Rücksichtnahme zu begünstigen. Der Teppich ist ein Element zur Verkehrsberuhigung“, erklärt Stadtsprecher Marc Bohn.
Der CDU-Bürgermeisterkandidat und mobilitätspolitische Sprecher Axel Stucke sieht das ganz anders:„Für die Bemalung der Sebastianusstraße wurden 35.000 Euro Steuergeld verschwendet – Geld, das an vielen anderen Stellen dringend gebraucht wird. Das geschah ohne Beteiligung der Anwohner und Händler. Die Sebastianusstraße ist damit endgültig zum Mahnmal für die bürgerferne rot-grüne Holzhammerpolitik der aktuellen Rathausspitze geworden.“ Wieder einmal sei klar geworden: „Im Rathaus muss endlich wieder Bürgernähe, Maß und Mitte einziehen. Die Wünsche der Mehrheit der Bürger müssen zählen, nicht die Träume einiger weniger Ideologen.“
Die von der Stadt propagierte Vision einer autofreien und „wohnlichen“ Sebastianusstraße sei nicht aufgegangen, ist sich Niklas Fürste, Vorsitzender der Jungen Union Neuss, sicher: „Nun legt man im letzten verzweifelten Versuch noch mal nach.“ Allgemein seien die Probleme der Straße weiterhin gegeben. „Statt einer lebendigen Fußgängerzone klagen die Händler über rückläufige Kundenfrequenzen“, berichtet Fürste. „Was als Attraktivitätssteigerung gedacht war, hat in Wahrheit zu einer Verödung der Straße geführt. Dreck, Lärm und Kriminalität haben zugenommen – eine Situation, die weder den Anwohnern noch den Geschäftsleuten zugutekommt.“ In Zeiten knapper Kassen dürfe es nicht sein, dass hohe Summen in fragwürdige Projekte fließen würden, während gleichzeitig notwendige Investitionen in Bildung, Infrastruktur, soziale Projekte und Sicherheit auf der Strecke bleiben würden.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Karbowiak möchte die Wogen glätten: „Eigentlich wird mit der Maßnahme nur die damals schon im Rahmen des Verkehrsversuchs angebrachte Straßenbemalung dauerhaft erneuert – es ist also eigentlich keine neue Bemalung und sie konnte wegen der Wetterverhältnisse auch noch gar nicht fertiggestellt werden.“ Auch macht er auf die Umsetzung weiterer Maßnahmen aus dem mit den Geschäftsinhabern abgestimmten Gesamtkonzept wie das Aufstellen von beleuchteten Lichtbänken aufmerksam. „Ansonsten ist die Kritik der CDU an der Straßenbemalung und den Kosten einmal mehr scheinheilig, da sie eine vergleichbare Straßenbemalung zur Verkehrsberuhigung im Barbaraviertel für einen fast identischen Geldbetrag massiv unterstützt hat“.
Aber Karbowiak übt auch Kritik: „Wo wir allerdings endlich dauerhafte Verbesserungen erwarten, ist der Zustand der Blumenbeete in der Straße. Hier muss die Stadt Neuss endlich eine Lösung für eine dauerhaft attraktive Bepflanzung finden. Das bekommen andere Städte schließlich auch hin – und wenn hier nicht kurzfristig dauerhafte Verbesserungen erzielt werden, müssen wir das auch noch mal im Stadtrat diskutieren.“