Kardinal-Frings-Brücke für Schwerlasttransport dicht: Umleitung über Flehe Marode Rheinbrücken: Wie lange noch, bis der Verkehr zusammenbricht?

Neuss · „Eine verkehrstechnische Katastrophe“, sagt der Neusser Spediteur Mike Heeb, ein „Fiasko“ nennt es Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein: Seit vergangener Woche dürfen Lkw über 7,5 Tonnen die Josef-Kardinal-Frings-Brücke nicht mehr überqueren, zuvor lag die Grenze bei 30 Tonnen. Das bedeutet für den Schwerlastverkehr über den Rhein erneut, Umleitungen in Kauf nehmen zu müssen, um die Lieferketten zwischen Düsseldorf und Neuss aufrecht zu erhalten.

Die Josef-Kardinal-Frings-Brücke (auch Südbrücke genannt) ist marode. Seit vergangener Woche darf Schwerlastverkehr sie nicht mehr befahren. Die Umleitung führt über die ebenfalls marode Fleher Brücke.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Hanna Glinski

„Der Rhein ist unsere Lebensader, deshalb ist eine voll funktionsfähige, schwerlastfähige Brücke für den Hafenstandort Neuss Düsseldorf unerlässlich“, begründet Steinmetz seine Forderung nach einer schnellen und pragmatischen Lösungsfindung.

„Aufgrund der Schäden mussten wir die Reißleine ziehen“, erklärt Stephan Huth, der beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) die Abteilung Bau leitet. Die Instandsetzungsarbeiten an der Brücke hatten im August begonnen, parallel zur laufenden Sanierung wurde auch eine Brückenprüfung vorgenommen. Dabei wurden gravierende Schäden an den Brückenlagern festgestellt, die die verschärfte Ablastung sowie eine Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde bis auf Weiteres nötig machen.

„Wir stehen natürlich in regelmäßigem Austausch mit unseren Kollegen von der Autobahn GmbH, die für die Instandhaltung und den Neubau der Fleher Brücke zuständig sind, und der Stadt Düsseldorf“, erklärt Huth weiter. Die Landeshauptstadt kümmert sich etwa um die Hochstraße auf der B7 in Heerdt, eine weitere Route von Düsseldorf nach Neuss, die für schwere Lkw nicht befahrbar und sanierungsbedürftig ist.

IHK-Chef Jürgen Steinmetz findet die Lage „katastrophal. Das ist ein Fiasko für das Gewerbe und den gesamten Wirtschaftsstandort beidseits des Rheins.“ Er fordert, schnell pragmatische Lösungen zu finden.

Foto: IHK Mittlerer Niederrhein

Aus dem Düsseldorfer Rathaus heißt es, die Hochstraße dürfe bereits seit Ende März 2020 nur noch von Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 30 Tonnen befahren werden, „zusätzlich wurde in beiden Fahrtrichtungen die Nutzung der linken und mittleren Fahrspuren für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen untersagt.“ Erst kürzlich ging eine Öffentlichkeitsbeteiligung zur Zukunft der Hochstraße zu Ende, ein Tunnelneubau an der Stelle wird in Betracht gezogen.

Die Verkehrslage zwischen Neuss und Düsseldorf ist angespannt, nach den Herbstferien dürfte es noch schlimmer werden. Die derzeitig offiziell ausgeschilderte Umleitung des Schwerlastverkehrs von der Kardinal-Frings-Brücke führt über die Fleher Brücke auf der A46 an der Anschlussstelle Uedesheim. Dass es durch die Ablastung der Südbrücke zu Verkehrsbeeinträchtigungen auch im erweiterten Raum komme, sei nicht zu vermeiden, sie so gering wie möglich zu halten das erklärte Ziel, weiß Huth.

Die Lieferverkehre hatten vom Neusser bis zum Düsseldorfer Hafen bislang eine Strecke von acht Kilometern zurückzulegen, jetzt sind es 20 – über bereits zuvor stark belastete Strecken. Die IHK moniert, dass dies für Spediteure mehr Sprit, mehr Fahrzeugeinsatz, mehr Personaleinsatz, mehr Kosten bedeute. „Und das in einer Zeit, in der der Personalmangel gravierend ist und große Anstrengungen für den Klimaschutz unternommen werden“, gibt Steinmetz zu bedenken.

50 km/h und Schwerlastverkehr: So wird die Josef-Kardinal-Frings-Brücke eine ganze Weile nicht mehr aussehen...

Foto: Kurier Verlag GmbH/Hanna Glinski

So erklärt denn auch Mike Heeb von GTL – Neuss Getränke Transport & Logistik: „Dass die Südbrücke dicht ist, bedeutet für den innerstädtischen Verkehr große Umwege, zeitliche Verzögerungen und dadurch weniger Kunden. Im Hafen etwa sind Aufträge für uns kaum noch anzunehmen – jedenfalls nicht zu den alten Preisen. Für Kunden, die ihren Sitz dort haben, müssen wir verkehrsbedingt zwei Stunden mehr einplanen... Das kann doch nicht die Lösung sein.“ Laut Heeb treffe die Situation nicht nur den Schwerlastverkehr hart. Auch Pkw-Fahrer müssten nun vermehrt Stau in Kauf nehmen oder ebenfalls Umleitungen fahren, um dies zu verhindern.

Huth von Straßen.NRW erklärt: „Derzeit findet die Abdichtung in der Fahrtrichtung Düsseldorf statt, diese soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein und im neuen Jahr folgt die Gegenrichtung. Danach folgen Arbeiten unter der Brücke, die den Verkehr nicht beeinflussen sollten.“ Daraufhin könne die neue Ablastung wieder aufgehoben werden. Zur Landesgartenschau 2026 sollen laut Huth planbare Sperrungen rund um Neuss herum vermieden werden. Die aktuellen Arbeiten aber sind notwendig, um eine komplette Sperrung zu verhindern. Der Lieferverkehr weicht also über Flehe aus.

Das Problem: Die Fleher Brücke ist selbst marode, ein Neubau längst beschlossene Sache. Aktuell darf sie auch vom Schwerlastverkehr befahren werden, allerdings sind nur zwei Spuren frei. Hält sie den zusätzlichen Umleitungsverkehr überhaupt aus? Das wird die Zeit zeigen.

„Die Lage ist insgesamt verheerend. Die marode und vielerorts jahrzehntelang vernachlässigte Infrastruktur bröckelt dahin. Es geht nicht mehr ohne Pragmatismus, engagiertes Anpacken und Umsetzen. Die Infrastruktur muss Priorität haben. Ohne sie bewegt sich nichts mehr“, sagt Steinmetz. Im Rahmen eines Brücken-Krisengesprächs avisiert die IHK derzeit eine Gesprächsrunde, um die aktuelle Situation und Sofortmaßnahmen zu diskutieren.